Schweigen der Familie

Ein Azoren-Krimi mit Rezepten

Leseprobe

Ein Paradies, dachte er. Und nun ein Mord, der erste Mord in der Inselgeschichte. Wahrscheinlich wird sich niemand freuen mich zu sehen, ahnte Baptista. Seine Magenschmerzen ließen nach. Er löschte das Licht und fiel in einen unruhigen Schlaf.
Eine Wasserleiche stach mit einem Messer wild auf seinen Brustkorb. Schweißgebadet wachte er auf. Seine Lungen schmerzten. Die Dämmerung hatte begonnen. Es war kurz nach sechs. Entkräftet und übermüdet stand er auf und rasierte sich. Der Spiegel war beschlagen. Er schnitt sich am Hals und begann zu bluten. Wie ein abgeschlachtetes Schwein, ging ihm durch den Kopf. Mit einem Handtuch versuchte er vergeblich die Blutung zu stillen. Er nahm sein Hemd vom Bügel und ging gegen sieben Uhr nach unten in den kleinen Frühstücksraum.
Die Zimmerdame begrüßte ihn schlaftrunken. „Bom dia.“ Danach sprach keiner von beiden. Ungefragt bekam er einen Galão und einen kleinen Bolo, ein Brot aus süßem Hefeteig. In Zeitlupe aß er, um zu verhindern, dass er einen Hustenanfall bekam. Das warme Getränk tat ihm gut, obwohl er vom Koffein sicher bald Kopfschmerzen bekommen würde. So konnte sein Leben nicht weitergehen. Sobald er wieder in Berlin war, würde er seinen Job hinschmeißen und wieder anfangen zu schreiben. Und gesund leben, wieder eine Frau kennen lernen. All das, wofür das Leben da ist.
Der Schlag einer Standuhr weckte ihn aus seiner depressiven Stimmung. Es war schon acht Uhr. Das Kommissariat hatte auf, ebenso die Leichenhalle. Baptista stand auf, stieg mühsam die enge Treppe nach oben und packte seinen Koffer. Das Bett roch von der Nacht säuerlich nach Schweiß. Die Gedanken an die Leiche klebten in der feuchten Luft. Er war richtig krank. Wahrscheinlich würde bald Fieber hinzukommen. Wie auch immer: heute Nachmittag flog die Maschine nach Corvo. Er musste sich beeilen.

Das Schweigen der Familie
von Ben Faridi

Oktober Verlag 2009

211 Seiten, Borschur
ISBN: 978-3-938568-74-3
14 EUR

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